Business Plan, bitte!

Wenn es eins gibt, wonach zu jeder Selbständigkeit und auch Firmengründung  gefragt wird, dann ist es der einzig wahre, unglaubliche, nie zuvor gesehene, geheimnisvolle, magische, oft kopierte: Business Plan! (siehe Wikipedia-Artikel)

 

Du benötigst ein Darlehen? Business Plan, bitte! Stellst einen Förderungsantrag? Business Plan, bitte! Stellst deine Geschäftsidee einem Fremden vor? Ihr kennt die Antwort.

 

Für einen Business Plan findet man haufenweise Tipps im Netz. Es gibt viele Vorlagen, davon ist eine komplexer als die andere - als wenn sich die Autoren dieser Vorlagen in einem Wettbewerb messen würden: "Jetzt mit 3 zusätzlichen Tabellen und ultraviel vorausgefüllten Zeilen, die ihre Geschäftsidee voll professionell aussehen lassen - versprochen!". Ich verrate es schon jetzt: Ich halte nicht viel von Business Plänen. Sie sagen einem nur, ob derjenige der ihn geschrieben hat kein Anfänger ist. 

Es ist schon richtig, dass ein Business Plan (im folgenden nur noch BP) einem durch die Finanzplanung hilft, über zukünftige Kosten und Einnahmen sowie deren Dimensionen nachzudenken. Ist man ein Neuling in der Selbständigkeit, enthält ein BP aber eine Vielzahl an Positionen, die man vermutlich nicht ausfüllen kann, weil man sie ohne Erfahrungswerte nicht kennen kann. Fragt man herum oder auch seinen Steuerberater, zuckt der oft auch nur mit den Achseln und antwortet wie ein Anwalt mit: "Tja, das hängt davon ab. Sei clever!". Man muss ihn also nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllen, einfach machen.

 

Was mich an einem BP stört ist, dass man in den meisten Fällen sein Business nunmal schwer planen kann. Man hat zwar eine grobe Vorstellung davon, wie man Geld verdienen möchte. Aber das 'Business' verläuft nicht wie im Plan, es startet schon in den ersten Monaten ganz anders als man denkt. Das merkt man spätestens, sobald man sich um den Verkauf seines Angebots kümmert. Selber Geld zu verdienen ist tierisch schwer! Im BP zeigt man eine Geschäftsentwicklung der nächsten 3 Jahre auf. Man hat jedoch noch keine Ahnung wie es sich entwickeln wird, daher ist ein Business Plan nunmal ein Blick in die Glaskugel und die Zahlen sind aus meiner Sicht nicht viel wert. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Markt-Recherche

Als ich über die Entwicklung von Social Games nachdachte, habe ich mich natürlich erkundigt, viel herumgefragt und recherchiert. Dabei habe ich versucht in Erfahrung zu bringen, wieviel man mit Free 2 Play-Games verdienen kann:

  • Wieviel zahlt ein User im Schnitt?
  • Wer zahlt überhaupt?
  • Was sind die Bestseller in Social Games?
  • Wie ist die durchschnittliche Entwicklung der Anzahl von User ab Launch?
  • Wieviele User hat man mit moderatem Marketing nach nem halben Jahr?
  • Wie hoch sind die Betriebskosten für Server & Co.?
  • Mit was für einem Marketinginvest muss ich rechnen, um eine für Viralkanäle kritische Masse an User aufzubauen?

Fragen über Fragen. Sowas hat man ja nunmal noch nicht selber vorliegen.

 

Ich habe viel recherchiert, dabei Plattformen wie Quora genutzt und dort bestehende Fragen und Antworten gelesen, habe Veranstaltungen besucht, bei denen andere über ihre Erfahrungen sprechen und deren Sprecher danach noch 1:1 interviewt, um ein möglichst genaues Bild zu erhalten. Ich wollte es natürlich ganz exakt können. Ich habe sogar Analysen von Plattformen wie Inside Social Games genutzt, die über 1.500 US$ wert waren, und noch Reports zu Userzahlentwicklungen von bestehenden Spielen gekauft. Das Fazit war: die Userzahlen wachsen exponentiell schnell, man verdient eine Menge Geld, durchschnittlich 0,50 US$ pro User (ARPU). Diese Zahl wurde mir im Vertrauen (!) von einem erfolgreichen Marktteilnehmer bestätigt. Ich fühlte mich daher sicher hierbei von realen Werten auszugehen. Wahnsinn! Das bedeutet ja, dass man sich schnell selber finanzieren kann! Und es machen nicht so viele..also zack zack, schnell sein - Time to Market ist entscheidend.

So funktioniert es aber nicht! Es klang zu schön um wahr zu sein. Aber nachdem mir das persönlich bestätigt wurde, war ich voller Hoffnung, dass man es genau so schaffen kann, wenn das Spiel gut wird! Und das war ja schließlich überhaupt keine Frage, es wird natürlich super!

 

Die Entwicklung eines Spiels ist sehr teuer. Über mehrere Monate arbeitet eine Vielzahl an Personen (Coder, Grafiker, Game Designer etc.) an einem Spiel, sowas kostet entweder 5-stellige oder gar 6-stellige Beträge. Soviel Geld hatte ich nicht. Ich hatte zuvor moderat verdient und konnte nur wenig zur Seite legen, was dann beim nächsten Urlaub sofort aufgebraucht war. Also brauchte ich Investoren, die mir helfen das Spiel zu finanzieren. Für die Entwicklung, den Betrieb und die Vermarktung. Und bei der Aussicht des boomenden Geschäfts, der ich auch geglaubt habe, kann es ja nicht schief gehen.

Ich hatte nun also meine Hausaufgaben gemacht und wusste, was ich an Kapital benötigen würde und konnte den zukünftigen Investoren auch aufzeigen, wie wir Geld verdienen werden, ab wann ich das Invest zurückzahlen kann und ab wann es zu Ausschüttungen kommen wird. Meine Referenzen waren auch gut, immerhin war ich jahrelang in der Gamesbranche und habe viele Spiele betreut und dabei geholfen, diese zu vermarkten. Zudem habe ich ebenso jahrelang diverse Medien produziert, Kreativ-Teams betreut und über hohe Etats verfügt. Ich kann so ein Projekt stemmen!

Gesellschaftsstruktur - die UG & Co. KG

Doch wie bindet man Investoren ein? Wie tritt man an diese heran? Wo findet man Investoren? Ich brauchte dazu noch weitere Unterlagen und ein Konzept für die rechtliche Form für den Aufbau und die Entwicklung einer Unternehmensstruktur. Daher konsultierte ich auf Empfehlung eine Kanzlei zur Wirtschaftsberatung, die darin sehr erfahren ist. Ich erklärte das Geschäftsmodell und wie ich mir die Einbindung der Investoren vorstelle, dass ich in Zukunft mehrere Spiele auf diese Weise finanzieren lassen möchte, und dass ich mich nun zuerst auf die Entwicklung von Sportspielen konzentriere. 

Ich erhielt ein erprobtes Modell: den Aufbau einer Kommanditgesellschaft (KG) mit beschränkter Haftung, einer GmbH & Co. KG. Da ich aber noch nicht über das Kapital zur Gründung einer vollwertigen GmbH verfügte, wurde es somit eine UG & Co. KG. Alle Investoren werden Kommanditisten, die nur mit ihrer Einlage haften. Für eine KG benötigt man zur Geschäftsführung aber noch einen Vollhafter, eine Komplementärin. Damit diese Vollhaftung aber wieder beschränkt wird, nutzt man dazu eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei uns eben eine UG.

Da wir mehrere Projekte mit der KG finanzieren wollten und diese ggfls. eine unterschiedliche Investorenstruktur aufweisen könnten, wurde zur Entwicklung eines Projekts eine Projekt-GmbH gegründet, die im ersten Fall 100%ige Tochter der KG ist (siehe Schaubild). Die KG und die GmbH bilden eine Organschaft und schließen einen Gewinn- und Verlustabführungsvertrag ab, was soviel bedeutet dass alle Gewinne und Verluste direkt an die KG abgegeben werden, damit sie für die Investoren genutzt werden können.

Die KG bot zur Investoreneinbindung zudem den Vorteil, dass man die Investoren einfach über einen Kaufvertrag in die Gesellschaft integriert werden könnnen.

Investoren - Family & Friends

Das Modell war in der Theorie klar und wir führten erste Gespräche mit Interessenten. Da es nun weiterer rechtlich sicherer Verträge von Anwälten bedarf, weitere Kosten entstehen und man sichergehen wollte, dass das Interesse auch ernst gemeint war, setzten wir hierzu eine Absichtserklärung auf, einen Letter of Intent:

Wir hatten das Glück aus dem erweiterten Family & Friends Umfeld erste Investitionenen zugesagt zu bekommen, damit konnten wir vorangehen und das rechtliche Gesellschaftskonstrukt aufsetzen, und somit bald mit der Entwicklung von "Soccer Star" starten. Eine aufregende Phase, es geht endlich richtig los!

 

Bis man aber erstmal alles angmeldet und erhalten hat, um loslegen zu können, wie z.B. eine Umsatzsteuer-ID, vergehen so ca. 4-6 Wochen. Da ich zur Entwicklung des Spiels auch mit dem Ausland gearbeitet habe, brauchte ich für die Überweisungen eine entsprechende Nummer, usw. usf. Anträge, Nummern: man ist administrativ erstmal gut beschäftigt und sehr ungeduldig, man möchte ja sofort loslegen können mit der eigentlichen Arbeit.

Was einem zu Beginn hilft: alle Steuern und Krankenkassenbeiträge kann man erstmal entweder auf Null oder aufs Minimum setzen, das schont die erste Liquidität - muss später aber ggfls. nachgezahlt werden! 

 

Grundsätzlich kann man nur raten, alle Kosten aufs Minimum runterzufahren und sich wirklich nur aufs Nötigste zu beschränken, so verlängert man deutlich die Liquidität, die man eindeutig brauchen wird.

Die Pop Rakete startete ihre erste Mission
Die Pop Rakete startete ihre erste Mission

Von Leuten mit voll viel Geld

Das Kapital reichte noch nicht aus. Wir benötigten noch weitere Investoren, um gemäß unserem Plan voranzukommen. Aus meinem direkten Umfeld war es nicht einfach hierfür zu werben. Ich bin daher sehr früh rausgegangen und habe viel Akquise betrieben.

 

Es gibt für sogenannte 'Startups' gute Info-Websites für den deutschsprachigen Raum, um sich über Finanzierungen zu informieren: www.gruenderszene.de als auch z.B. www.deutsche-startups.de Dort kann man sich über passende Veranstaltungen informieren, oder lernt auch Köpfe und Firmen für Venture Capital (kurz VC, übersetzt bedeutet es Risikokapital) kennen.

 

Ich habe viele Networking-Veranstaltungen, VC-Speeddatings etc. besucht und einige Termine mit Business Angels, Vermögensverwaltern und vermeintlich wohlhabenden Menschen wahrgenommen. Immer mit dabei: der Business Plan.

 

In dieser Gruppe schwimmen eine ganze Menge Teilnehmer mit, die behaupten sie würden über eine Menge Geld verfügen. Oder sie würden klein investieren wollen, bringen dann aber ihr ganzes Netzwerk voller Wohlhabender mit genug Spielgeld mit, die es dann richtig klingeln lassen. Man geht Essen, trinkt Kaffee und wiederholt die Reihenfolge. Man kennt diese Menschen ja noch nicht gut, man kann insbesondere als Anfänger nicht gleich raushören, wer einfach nur aufschneidert.

 

Ich habe VC-Speeddatings besucht, an denen kein einziger VC teilgenommen hatte, dafür aber neugierige Konkurrenten oder Dienstleister, die einem direkt was verkaufen wollten. Enttäuschend war das.

 

Genauso lernt man Personen kennen, die dir als Gründer sagen, dass Du erstmal richtig kurz kommen wirst und auch richtig bluten musst, falls Du deren Kohle in den Sand setzt - Du bräuchtest ja schließlich den Druck, sonst bringst Du es nicht. Selbstredend.

 

Andere rufen dich nach einem Termin auch mal gerne an und fragen, ob Du Person xyz vom Gespräch was erzählt hättest, denn xyz hätte ihm gegenüber zweimal mit den Ohren gezuckt und müsste daher was wissen. Es wird dir dann fast gedroht, dass alle Gespräche mit ihm extrem vertraulich zu behandeln seien. Niemand dürfe was vom Masterplan des Investors erfahren. "Ist das hier eine sichere Leitung? Was, nein? Ich kenne diesen Anrufer gar nicht. Telefonstreich!!". Selbstverständlich behandelt man alle Gespräche vertraulich, alles andere wäre auch wirklich unseriös. 

 

Es gibt auch Leute, die mit Geld winken, um exklusive Verträge mit einigen Startups zu schließen, bei denen sie ihnen eine kurzfristige Vermittlung zu ihrem vermögenden Netzwerk versprechen. Der Clou ist, dass der Vermittller selber erst mit diesen Verträgen anfängt auf Akquise-Tour zu gehen, um Kohle zu sammeln. 

 

Man braucht viel Zeit und Geduld, und man muss hoffen auf die richtigen Menschen zu stoßen. Eine langwierige Phase in der man sich den Mund fusselig präsentiert. Man präsentiert und präsentiert, erklärt und verteidigt seine Ideen. Man lernt so einiges über Gesprächsführung in dieser Zeit, und gewinnt manches an Menschenkenntnis. Auf dieses oder jenes davon, könnte man auch getrost verzichten.

Ein gutes Argument: Lukas Podolski

Ein Highlight: Unser Deal mit Lukas Podolski
Ein Highlight: Unser Deal mit Lukas Podolski

In der Zwischenzeit ergab sich eine tolle Gelegenheit, denn einer unserer bestehenden Investoren hatte einen direkten Draht zu Lukas Podolski. Da wir ein Fußballspiel entwickelten, war das eine sehr gute Möglichkeit einen bedeutenden Deal für unsere Vermarktungsstrategie einzufahren. Und tatsächlich: wir haben einen Vertrag mit Lukas Podolski unterschrieben. Zur Veröffentlichung des Spiels durften wir mit Lukas werben. Wahnsinn!

 

Dass wir Lukas Podolski als Testimonial an Bord hatten, war natürlich für unsere Investorenakquise ein wichtiger Stein im Brett. Eine Trumpfkarte, die ich fortan taktisch in meiner Investorenakquise platzieren konnte.

 

Es gab in den Gesprächen aber auch einen Umstand, der für anfängliche Unsicherheit sorgte:

Eine misstrauenserweckende Struktur: die UG & Co. KG mit Projekt-GmbH

Da dachten wir, wir hätten eine für Investoren perfekte Gesellschaftsstruktur geschaffen und den richtigen Grundstein gelegt, lernten aber, dass diese Struktur auch für viel Unsicherheit sorgen kann.

 

Komplizierte Gesellschaftsstrukturen mögen gute Möglichkeiten bieten, sind für Außenstehende aber auch entsprechend undurchsichtig:

In einigen Gesprächen von ernsthaft interessierten Investoren gab es die Sorge, dass durch drei beteiligte Unternehmen (in unserem Konstrukt 1) die UG, 2) die UG & Co. KG sowie 3) die Projekt-GmbH) die Möglichkeit besteht, Gelder zu verschieben und an den Investoren vorbeizuschleusen. Das kann sein, dass das von zwielichtigen Menschen so gehandhabt wird, auch wenn es die Gesellschaftsverträge mehr oder weniger klar regeln können. Mir war natürlich sonnenklar klar, dass es da keinen Grund zur Sorge gibt, denn ich selber handhabe das ja. Aber wenn man mich nicht so gut kennt, woher soll man das dann wissen? Ich musste also durch die gewählte Gesellschaftsstruktur zusätzliche Überzeugungsarbeit leisten, dass es nichts zwielichtiges zu befürchten gibt. 

 

Heute würde ich eine eindeutig einfachere Gesellschaftsstruktur wählen, z.B. nur eine GmbH, damit man in Akquise-Gesprächen nicht die verschiedenen Gesellschaftsmodelle erläutern muss, sondern sich einfach auf die Geschäftsidee konzentrieren kann. 

Erste Finanzierungsrunde gesichert

Es war nicht einfach, aber die erste Finanzierungsrunde wurde geschafft. Die Entwicklung war gestartet und Lukas Podolski für die Vermarktung gewonnen. Die eigene PR-Maschine wurde nach und nach in Gang gesetzt: http://www.deutsche-startups.de/2011/03/01/10-brandneue-start-ups-die-man-im-blick-behalten-sollte/

 

Jetzt musste das Spiel nur noch gut werden und alles so laufen wie geplant - (k)ein Kinderspiel ;-) Doch darüber schreibe ich dann im nächsten Artikel.

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Kommentare: 3
  • #1

    Sven Ivo Brinck (Montag, 04 November 2013 10:06)

    Moin Tashin,

    schöner Blogbeitrag.
    Ich stimme Dir insoweit zu, als das ein BP mit Sicherheit immer eines ist: nicht korrekt. Er ist aber sicherlich eine gute Fingerübung um sich ein Bewusstsein und Verständnis für das kommende Geschäft aufzubauen. Und wenn es nur die eigene Erwartungshaltung reflektiert. Insofern darf man den BP sicherlich nicht als die 10 Gebote nehmen, aber als guter Schritt im "Kennenlernen" Prozess.

  • #2

    Tahsin Avci (Montag, 04 November 2013 10:18)

    Hi Sven,

    danke sehr und ja, das stimmt! Genau so muss man das sehen.

    Viele Grüße,
    Tahsin

  • #3

    Alwin Mark (Sonntag, 17 Mai 2015 09:15)

    Hi,

    sehe das mit dem "BP" genauso. Erlebe das auch immer wieder innenpolitisch in den Firmen bei denen ich arbeite. Dort fäng es auch irgendwann an, dass die Fachabteilungen minni BPs für ihre Wünsche an die Technikabteilungen schreiben müssen. Obwohl die meisten dort damit achon Erfahrungen haben sind diese trotzdem meustens totaler schwachsinn.

    Besser finde ich das Lean Startup Konzept. Nur habe ich keine Ahnung wie VCs hier in Deutschland auf Lean Canvas reagieren